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DISPUT

1 Cent für die Deutsche Wohnen

Die Entschädigungen für Wohnungskonzerne bei Enteignungen müssen nicht dem Verkehrswert der Immobilien entsprechen. Nicht einmal der Kaufpreis müsste erstattet werden.

Von Hans-Henning Adler

Wohnungsbaukonzerne wie Deutsche Wohnen und Vonovia, deren einziges Interesse Profi t und Rendite für ihre Aktionäre ist, sind keine normalen Vermieter. Die Vergesellschaftung dieser Wohnungsunternehmen wird deshalb gegenwärtig in Berlin diskutiert. Damit soll der Geschäftspraxis dieser großen Immobilienkonzerne, Mietpreissteigerungen um jeden Preis durchzusetzen, ein Riegel vorgeschoben und die Wohnungen in öffentliches Eigentum überführt werden. Die Enteignung wird auch deshalb gefordert, weil insbesondere die Deutsche Wohnen das führende Unternehmen auf dem Berliner Immobilienmarkt ist und eine marktmächtige Stellung besitzt. Die kleinen Miethaie schauen auf den großen Miethai und nehmen ihn als Vorbild.

 

Im Ermessen des Gesetzgebers

Die Initiative »Deutsche Wohnen & Co. enteignen« weist auf ihrer Homepage darauf hin, dass die zu zahlende Entschädigung bei Vergesellschaftungen nach Artikel 15 des Grundgesetzes sich nicht nach dem gegenwärtigen Marktwert richten muss. In der öffentlichen Debatte wird gegen die Enteignungsforderung, die gegenwärtig in Berlin – bei Unentschlossenheit der Grünen – nur von der LINKEN unterstützt wird, immer wieder der Einwand erhoben, dass die im Fall einer Enteignung zu zahlenden Entschädigungen gar nicht zu fi nanzieren wären. Teilweise wird sogar die Behauptung aufgestellt, der Wohnungskonzern müsse nach dem Verkehrswert der bebauten Immobilien entschädigt werden. Das verhält sich nach dem Grundgesetz aber ganz anders. Hier gibt es zwei verschiedene Vorschriften über Enteignungen: Art. 14 Abs. 3 GG regelt die Entschädigung für den Regelfall der Enteignung, zum Beispiel, wenn ein privater Eigentümer den notwendigen Bau einer Straße blockieren will. Auch hier gilt, dass die Entschädigung »unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten« zu ermitteln ist. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in seinem Urteil vom 18. Dezember 1968 klargestellt, dass Entschädigung nicht Schadensersatz ist und der Gesetzgeber hierzu auch einen Ermessensspielraum hat, um auf situationsbedingte Besonderheiten des Sachverhalts und die Zeitumstände Rücksicht nehmen zu können. Dann gibt es aber auch noch den Art. 15 des Grundgesetzes, der die Möglichkeit von Sozialisierungen von Grund und Boden oder von Produktionsmitteln vorsieht. Dieser Artikel kann auf Bundes – und Landesebene angewendet werden. Bislang ist von dieser Möglichkeit noch kein Gebrauch gemacht worden. Zur Frage der Entschädigung in diesem Fall gibt es deshalb auch keine Rechtsprechung. Im Alternativen Kommentar zum Grundgesetz heißt es dazu: »Eine gerechte Entschädigungsregelung erfordert eine Wertung der betroffenen Eigentumsrechte. Maßgebliche Kriterien sind die Nähe zur individuellen Persönlichkeitsentfaltung und der Erwerb aufgrund eigener Leistungen. Den so gewerteten Interessen der Betroffenen sind die Interessen der Allgemeinheit gegenüberzustellen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es nicht Sinn der Entschädigungsregelung sein kann, Sozialisierungen unmöglich zu machen. « (Alt. Kommentar Anm. 246 zu Art 14/15GG).

 

Es geht auch ohne

Gerade wenn es keine Rechtsprechung gibt, ist es sinnvoll, sich einmal das anzuschauen, was der Grundgesetzgeber mit dieser Regelung ge- meint hatte: Im Parlamentarischen Rat, also dem Gremium, das das Grundgesetz geschaffen hatte, wurde sogar über die entschädigungslose Enteignung diskutiert. Hier ein Auszug aus dem Protokoll des Grundsatzausschusses: »Frau Nadig (SPD): Es kann auch notwendig sein, entschädigungslos zu enteignen … Es ist doch wohl nicht richtig, die entschädigungslose Enteignung auszuschließen. Vorsitzender Dr. von Mangoldt (CDU): Es heißt die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Betroffenen festzusetzen. Wenn irgendwelche Vermögenswerte unter Verletzungen der Verpflichtungen erworben worden sind, die mit dem Eigentum verbunden sind, würde die Entschädigung eventuell nur in einem Nominalbetrag bestehen können. Diese Möglichkeit würde durch diese Formulierung offen gehalten werden. Zwischenruf von Dr. Bergsträsser (SPD): Vielleicht die Entschädigung 1 Pfennig. Dr. von Mangoldt: Ja. Diese Möglichkeit besteht, weil wir es anders als in der Weimarer Verfassung formuliert haben.« Mit einer Entschädigung der Deutschen Wohnen in Höhe des Betrages, den dieser Wohnungskonzern einmal beim Kauf der Immobilien von der öffentlichen Hand aufgewandt hatte, könnte er also durchaus zufrieden sein, weil der Ermessensspielraum des Gesetzgebers nach dem Konsens zwischen SPD und CDU im Parlamentarischen Rat eigentlich viel weiter geht, nämlich bis auf einen Pfennig runter, heute würde man 1 Cent sagen.

 

Hans-Henning Adler ist Rechtsanwalt und Ratsmitglied der LINKEN im niedersächsischen Oldenburg

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