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DISPUT

Bühne für Lobbyisten

Die Bundesregierung lädt zum Mietengipfel, doch die tatsächlichen Probleme werden bei dieser Show ignoriert

Von Caren Lay und Armin Kuhn

Ein bundesweiter bisher einmaliger Zusammenschluss aus Mietervereinen, Gewerkschaften, Sozialverbänden und Mieterinitiativen ruft zu Protesten gegen den Wohngipfel der Bundesregierung auf. Am 21. September lädt der Innen- und Bauminister Horst Seehofer (CSU) in das Kanzleramt ein, um ein Maßnahmenpaket für eine »Wohnraumoffensive« zu schnüren. Doch die geplanten Schritte drohen die katastrophale Situation für Mieterinnen und Mieter noch zu verschärfen.

Wohnraummangel und Mietpreisentwicklung in den Städten spitzen sich seit Jahren zu. Die Mietsteigerungen von bis zu 100 Prozent in den letzten zehn Jahren haben sich von der Lohnentwicklung völlig entkoppelt. In vielen Städten ist das Wohnen zum Armutsrisiko geworden. Allein in den 77 deutschen Großstädten fehlen rund zwei Millionen bezahlbare Wohnungen. In diesem Jahr wird die Zahl der Wohnungslosen die Millionengrenze überschreiten.

Der alte Kurs

Seit Jahren machen Mieter*innen-Initiativen und Recht-auf-Stadt-Gruppen auf die neue Wohnungsnot aufmerksam und mobilisieren überall in der Bundesrepublik für eine Kehrtwende in der Wohnungs- und Stadtpolitik. Auch DIE LINKE macht sich auf Bundesebene, in den Ländern und Kommunen für einen Neustart im sozialen Wohnungsbau, für einen Mietendeckel und für besseren Mieterschutz, für eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit und für ein Ende der Spekulation mit Wohnraum stark.

Doch davon will die Bundesregierung nichts wissen. Im Gegenteil: Sie hält im Wesentlichen am wohnungspolitischen Kurs fest, der seit den 1990er Jahren entscheidend dazu beigetragen hat, dass Wohnungen zur Ware geworden sind.

Die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit, die Privatisierung bundeseigener Wohnungen und Grundstücke und der Ausstieg aus dem sozialen Wohnungsbau haben das Angebot an bezahlbarem Wohnraum radikal verknappt. Profitiert haben davon vor allem die börsennotierten Wohnungsunternehmen und Immobilienfonds, die ihren Aufstieg dem Aufkauf ehemals öffentlicher oder öffentlich geförderter Wohnungen verdanken – auf Kosten der Mieterinnen und Mieter. Seitdem fließen jedes Jahr Milliarden als Steuersubventionen und Mietzuschüsse an die Wohnungsunternehmen, ohne dass dadurch auch nur eine bezahlbare Wohnung entstehen oder gesichert würde.

Bis heute weigern sich insbesondere CDU und CSU, die Probleme anzuerkennen und die Sorgen der Menschen, keine Wohnung zu finden oder aus der eigenen verdrängt zu werden, ernst zu nehmen. Noch in der letzten Wahlperiode hat die Union die Mietpreisbremse bis zur vollkommenen Wirkungslosigkeit gerupft und selbst minimale Vorschläge für staatliche Eingriffe in die wild gewordenen Wohnungsmärkte blockiert.

Doch jetzt hat die Große Koalition auf den öffentlichen Druck reagiert und die Wohnungspolitik für sich entdeckt. »Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit« – mit diesem Satz ließ sich nach der Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles und Justizministerin Katharina Barley (beide SPD) auch der zuständige Innen- und Bauminister Horst Seehofer (CSU) zitieren. Seine Antworten werden die Lage der Mieterinnen und Mieter allerdings kaum verbessern, im Gegenteil.

Gipfel im Kanzleramt

Mit einem Wohngipfel im Kanzleramt soll eine »Wohnraumoffensive« auf den Weg gebracht werden, die vor allem ein Ziel hat: den Bau von 1,5 Millionen Wohnungen bis zum Jahr 2021. Am 21. September werden Vertreterinnen und Vertreter der Ministerien, der Länder und Kommunen, der kommunalen Spitzenverbände, der Gewerkschaften sowie der Bau- und Immobilienwirtschaft zusammenkommen, um – so steht es im Koalitionsvertrag – »Eckpunkte eines Gesetzespakets zu vereinbaren«.

Die Inhalte dieses Gesetzespakets stehen allerdings längst fest und sind zum Teil schon beschlossen: Im Mittelpunkt steht dabei das sogenannte Baukindergeld als neue Eigenheimzulage, für die allein bis 2021 mindestens 2,7 Mrd. Euro vorgesehen sind. Zusätzliche Steuersubventionen sollen für den privaten Mietwohnungsbau in Form einer Sonderabschreibung für Mietwohnungen fließen. Für eine Mietrechtsreform mit kleineren Nachbesserungen an Mietpreisbremse und Modernisierungsumlage liegt bereits ein dritter, nach Widerständen aus der Union, verwässerter Entwurf aus dem Justizministerium vor. Und schließlich hat das Finanzministerium schon im Frühjahr eine Grundgesetzänderung auf den Weg gebracht, die eine Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus durch den Bund auch über das Jahr 2019 hinaus ermöglichen soll. Allerdings will die Große Koalition nur noch eine Milliarde Euro im Jahr dafür bereitstellen – ein Drittel weniger als heute.

Die Frage, wie angemessen auf die Wohnungskrise reagiert, wie Mietenexplosion und Verdrängung gestoppt werden sollen, wird auf dem Wohngipfel also gar nicht diskutiert. Stattdessen dient er der pressewirksamen Inszenierung bereits beschlossener Maßnahmen – und als Bühne für die Immobilienlobby. Denn die großen Immobilienverbände mit exzellenten Kontakten zu den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern stellen die Mehrheit der Teilnehmenden am Gipfel. Neben den Gewerkschaften (DGB und IG BAU) ist allein der Deutsche Mieterbund (DMB) eingeladen, um die Interessen der Mieterinnen und Mieter zu vertreten.

Gegen die Wohnungspolitik der Bundesregierung und gegen das Hofieren der Immobilienlobby, das den Interessen der Mieterinnen entgegenläuft, regt sich Widerstand. Ein breiter, bundesweiter Zusammenschluss aus Mietervereinen, Gewerkschaften, Sozialverbänden und Mieterinitiativen, an dem auch DIE LINKE beteiligt ist, ruft unter dem Motto »Zusammen gegen #Mietenwahnsinn« zu Protesten gegen den Wohngipfel im Kanzleramt sowie zu einem Alternativgipfel am Vortag auf.

Vielstimmige und öffentliche Diskussion statt Lobbypolitik in Hinterzimmern, Wohnungspolitik für die Mehrheit (die Mieterinnen und Mieter sowie die selbstnutzenden Eigentümerinnen und Eigentümer) statt für die Profitinteressen der Wenigen – diese Botschaften soll der Alternativgipfel mit konkreten Forderungen und Konzepten unterlegen, um sie anschließend als Protest auf die Straße zu tragen. Entsprechend fordert der Aufruf eine wirkliche und wirksame Mietpreisbremse, einen Neustart im sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau, eine soziale Bodenpolitik, Schutz vor Kündigung und Verdrängung sowie entschiedene Maßnahmen gegen Spekulation mit Wohnraum.

Proteste auf Bundesebene

DIE LINKE unterstützt den Aufruf und lädt dazu ein, sich an den Diskussionen beim Alternativgipfel und an den Protesten gegen den Wohngipfel im Kanzleramt zu beteiligen. Die Mobilisierung durch ein Bündnis, das es zum Thema Wohnen in dieser Breite und Vielfalt noch nicht gegeben hat, ist schon jetzt ein riesiger Erfolg und ein hoffnungsvolles Signal. Es wird Zeit, dass die seit Jahren wachsenden und erfolgreichen Proteste in den Städten auf der Bundesebene ankommen! Denn dort müssen die entscheidenden Weichen für eine soziale Wohnungspolitik gestellt werden.

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